Philipp Reiter: "Früher bekam man als Athlet einen Flug zu einem Bewerb auf eine Insel bezahlt. Man lief und trank danach gemeinsam ein Bier."

Philipp Reiter, 29, Trailrunner und Alpinist, Fotograf und Filmemacher, Plotter. Der sympathische Bad Reichenhaller gilt als kreativer Star der Trail-Szene. Wie kein anderer erklärt er den aufstrebenden Sport in seinen Geschichten. Wir haben mit ihm über sein neues Projekt, die "Reiter-Formel" und über die Zukunft des Trailrunnings geplaudert.

Deine Ideen für Deine Projekte, die Umsetzung, der jeweilige rote Faden - all das überrascht immer wieder und das macht Deine Arbeit herausragend. Du wirst heuer 30. Auf was dürfen wir uns zu Deinem runden Geburtstag freuen?

Philipp Reiter: Ich bin sozusagen schon mitten in meinem neuen Projekt. Den ersten Versuch unseres Projekts “Friendship” mussten wir leider wegen Schlechtwetters abbrechen, ein weiterer wird aber sicher folgen.Wir wollen uns auf die Spuren der Eigernordwand-Pioniere Anderl Hinterstoißer und des Toni Kurz begeben.

Anderl Hinterstoißer, wie ich Bad Reichenhaller, und Toni Kurz radelten 1936, also vor genau 85 Jahren, von Berchtesgaden nach Grindelwald, um anschließend die Eiger-Nordwand zu durchklettern. Die Eiger-Nordwand war damals das letzte, große, ungelöste Problem der Alpen. Wenn man sich etwa die Ausrüstung von damals ansieht, die Schuhe oder die Hanfseile, dann waren die Leistungen schon sehr, sehr beeindruckend. Die Beiden starben 1936 bei ihrem Versuch die Eiger-Nordwand als erste zu bezwingen. Wegen der Dramatik in der Wand, erlangte die Geschichte Berühmtheit.

Der Plan ist es die Strecke von Berchtesgaden bis nach Grindelwald auf der Originalroute mit dem Rad zurückzulegen. Anschließend wollen wir, wie die Protagonisten von damals, die Eiger-Nordwand durchklettern. Bei unserem ersten Versuch benötigten wir vier Tage für die 600 Kilometer lange Radfahrt durch die Alpen, mussten die Unternehmung aber schließlich wegen Schlechtwetters am Eiger abbrechen. Die Ausrüstung zum Campen führen wir, wie auch jene zum Klettern, am Rad mit.

Ein weiterer Beweis für die "Reiter-Formel" = Leistungssportler + Berg + Geschichte + Kreativität?

Philipp Reiter: Ja (lacht), das hat sich bei mir so entwickelt. Ich begann als Skibergsteiger und bin dann zum Trailrunning gekommen. Ich habe das als Leistungssport betrieben. Nach einer Verletzung an der Patellasehne im Jahr 2016 habe ich mit dem Fotografieren begonnen, es aber stets mit dem Sport verbunden. Ich habe damals aber auch erkannt, dass der Wettkampfsport nicht alles ist.

Vor einigen Wochen hat die Ironman-Group ihr Portfolio erweitert und veranstaltet zukünftig auch Events im Trailrunning. Damit Trailrunning für so große Investoren überhaupt interessant wird, müssen sich die Umsätze und damit das Potential entsprechend entwickeln. Wie sieht Du die Entwicklung der letzten Jahre? Wie sieht die Zukunft des Trailrunnings aus?

Philipp Reiter: Ich denke nicht, dass die Entwicklung in die richtige Richtung geht. Man spricht zwar von strategischen Partnerschaften, um das Trailrunning gemeinsam weiterzuentwickeln, aber am Ende geht es natürlich ums Geld. Ich habe vor 12 Jahren meine ersten Trailrunning-Bewerbe gemacht. Damals gab es noch überhaupt kein Geld in der Szene. Je wichtiger aber das Geld wird, desto größer wird die Gefahr, dass Athleten verbissener werden oder vielleicht sogar manipulieren. Ich verstehe das, weil man dann davon leben kann und es in Folge um Existenzen geht. Gut für den Sport ist das freilich nicht. Früher bekam man als Athlet vielleicht einen Flug zu einem Bewerb auf eine Insel bezahlt. Man lief und trank danach gemeinsam ein Bier. Heute muss alles höher, schneller und weiter gehen. Dennoch hoffe ich aber, dass wir etwas von unserer Ursprünglichkeit, dem „Draußen-Erlebnis“, bewahren können.

Links
Philipp Reiter
Trail-Running: Hydration, Regeneration & Immunsystem

Bild: (c) Philipp Reiter