Leichter, schneller, belastbarer? Gluten und seine Rolle im Spitzensport

Gluten und Sport – was sagt die Wissenschaft?

Gluten ist nicht grundsätzlich für alle Sportler ungeeignet. Allerdings gibt es Personengruppen, die empfindlich darauf reagieren und dadurch gesundheitliche sowie leistungsrelevante Einschränkungen erleben können. Entscheidend ist, zwischen medizinisch gesicherter Unverträglichkeit und subjektiver Sensitivität zu unterscheiden.

1. Glutenunverträglichkeit (Zöliakie)

Zöliakie ist eine chronische Autoimmunerkrankung, bei der der Verzehr von Gluten (ein Proteingemisch aus Weizen, Roggen, Gerste) zu einer immunvermittelten Schädigung der Dünndarmschleimhaut führt. Dies kann schwere Verdauungsprobleme, Malabsorption von Nährstoffen, Eisenmangel und Osteoporose verursachen. Für betroffene Sportler bedeutet dies eine deutliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit, da Energie- und Nährstoffaufnahme massiv beeinträchtigt sein können.

Wissenschaftliche Grundlage: Die Prävalenz von Zöliakie liegt weltweit bei etwa 1 % der Bevölkerung (Lebwohl et al., 2018, Lancet). Eine strikt glutenfreie Ernährung ist für diese Gruppe alternativlos.

2. Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität (NCGS)

Eine kleinere, aber wachsende Gruppe leidet an Symptomen nach Glutenaufnahme, ohne die typischen Zöliakie-Marker aufzuweisen. Typische Beschwerden: Blähungen, Durchfall, Bauchschmerzen, Müdigkeit oder Kopfschmerzen. Diese Symptome können sich bei Sportlern direkt auf die Trainingsqualität und Erholungsfähigkeit auswirken.

Studienlage: Fasano et al. (2015, Gastroenterology) beschreiben NCGS als klinisch relevant, auch wenn Biomarker fehlen. Die Symptome sind real, und der Verzicht auf Gluten kann die Lebensqualität verbessern.

3. Verdauungsbelastung durch glutenhaltige Lebensmittel

Glutenhaltige Getreide (Weizen, Roggen, Gerste) sind ballaststoff- und proteinreich, aber für manche Menschen schwer verdaulich. Während intensiver sportlicher Belastung, wenn die Durchblutung des Magen-Darm-Traktes reduziert ist, können diese Lebensmittel gastrointestinale Beschwerden (GIS) verstärken. Viele Athleten berichten, dass sie sich durch den Verzicht „leichter“ fühlen und weniger unter Völlegefühl leiden.

Studien: Jeukendrup (2017, Sports Medicine) zeigt, dass bis zu 30–50 % der Ausdauersportler regelmäßig unter GIS leiden.

4. Gluten, Entzündung und Regeneration

Diskutiert wird, ob Gluten entzündliche Prozesse verstärken kann. Bei Zöliakie-Patienten ist dies klar nachgewiesen. Bei gesunden Menschen ist die Datenlage uneinheitlich: Es gibt Hinweise, dass Gluten bei manchen Personen eine gesteigerte Immunaktivierung auslöst.

Für Sportler interessant: Eine chronisch erhöhte Entzündungsaktivität kann Regeneration und Anpassungsprozesse behindern. Omega-3-Fettsäuren, Vitamin D und Antioxidantien wie Zink oder Selen werden in diesem Kontext häufig empfohlen, da sie entzündungsmodulierend wirken.

Belege:

  • Calder (2017, Nutrients): Omega-3-Fettsäuren reduzieren entzündliche Zytokine.

  • Hewison (2012, Nature Reviews Endocrinology): Vitamin D moduliert Immunantworten.

5. Glutenfreie Ernährung als Wettbewerbsvorteil?

Mehrere Spitzensportler – z. B. Novak Djokovic im Tennis – propagieren eine glutenfreie Ernährung. Sie berichten von weniger Verdauungsproblemen, schnellerer Regeneration und höherer Leistungsfähigkeit, auch ohne gesicherte Unverträglichkeit.

Aber: Randomisierte kontrollierte Studien bei gesunden Athleten zeigen bislang keinen objektiven Leistungsvorteil durch glutenfreie Ernährung (Lis et al., 2015, Med Sci Sports Exerc). Der Nutzen dürfte eher individuell und symptomgetrieben sein.

Persönliche Erfahrung – Kate Allen, Olympiasiegerin im Triathlon

„Ich persönlich habe vor allem in sehr schweren Trainingsphasen meinen Konsum von glutenhaltigen Lebensmitteln reduziert – das heißt eigentlich kein Brot und keine Pasta - Ich habe das auch nicht etwa durch glutenfreie Pasta ersetzt, sondern ganz bewusst andere Quellen gewählt: Gemüse, Kartoffeln, Süßkartoffeln, Hülsenfrüchte wie Erbsen und Bohnen. Ich habe das zum Beispiel vor den Olympischen Spielen oder dem Ironman Hawaii gemacht, wenn die Trainingsbelastung eben extrem hoch war. In diesen Phasen habe ich mich leichter und wohler gefühlt, vor allem beim Laufen. Natürlich habe ich in dieser Zeit auch Gewicht verloren – das lag aber am hohen Trainingsvolumen, nicht an der glutenärmeren Ernährung. Grundsätzlich liebe ich Brot und Pasta, aber für mich hat es Sinn gemacht, immer wieder Phasen einzubauen, in denen ich Gluten reduziert habe. Für mich war das subjektiv wie ein kleiner Booster.“

Wo steckt Gluten drin?

Glutenhaltige Lebensmittel sind vielfältig:

  • Weizenprodukte: Brot, Brötchen, Kuchen, Pizza, Pasta

  • Panierte Speisen: Schnitzel, Fischstäbchen

  • Getränke: Bier (Gerste)

  • Frühstücksprodukte: Müsli, Cornflakes

  • Verarbeitete Produkte: Fertigsaucen, Dressings (Gluten als Verdickungsmittel)

> Auswahl klassischer glutenhaltiger Lebensmittel

Ist Gluten generell schlecht für Sportler?

Nein. Gluten ist für gesunde Menschen nicht per se problematisch. Im Gegenteil: Vollkornprodukte enthalten wertvolle Nährstoffe, darunter Ballaststoffe, B-Vitamine (z. B. Thiamin, Niacin, Folat) und Mineralstoffe wie Eisen und Magnesium – allesamt entscheidend für Energieversorgung, Blutbildung und Muskelstoffwechsel.

Beleg: Whole grain intake ist mit einer reduzierten Gesamtsterblichkeit und verbesserter kardiovaskulärer Gesundheit assoziiert (Aune et al., 2016, BMJ).

Glutenfrei als Trend – Zahlen und Kritik

Eine Befragung von 1.500 US-Sportlern ergab, dass 41 % freiwillig glutenhaltige Lebensmittel meiden, obwohl nur 1 % tatsächlich Zöliakie haben (Lis et al., 2019, Sports Medicine). Der Trend geht weit über die medizinische Notwendigkeit hinaus.

Problem: Viele glutenfreie Ersatzprodukte enthalten weniger Ballaststoffe und Vitamine und dafür mehr Zucker und Fett – was für Sportler kontraproduktiv sein kann.

Low FODMAP statt Glutenfrei?

Neuere Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Verbesserung gastrointestinaler Beschwerden bei Sportlern weniger auf den Glutenverzicht, sondern vielmehr auf die Reduktion von FODMAPs zurückzuführen ist.

FODMAPs (fermentierbare Oligo-, Di-, Monosaccharide und Polyole) sind schwer verdauliche kurzkettige Kohlenhydrate, die Blähungen, Durchfall und Schmerzen verursachen können.

Beispiel-Lebensmittel:

  • Oligosaccharide: Weizen, Roggen, Zwiebeln, Knoblauch

  • Disaccharide: Milch, Joghurt (Laktose)

  • Monosaccharide: Äpfel, Birnen, Honig

  • Polyole: Pflaumen, Pfirsiche, Sorbit, Mannit

Die Low-FODMAP-Ernährung gilt als wirksam bei Reizdarmsyndrom (Staudacher et al., 2017, Gastroenterology). Bei Sportlern ist sie noch in der Erforschung, zeigt aber Potenzial zur Verringerung trainingsinduzierter gastrointestinaler Beschwerden.

Fazit

  • Glutenfrei ist Pflicht bei Zöliakie und sinnvoll bei Glutensensitivität.

  • Für gesunde Sportler bringt glutenfreies Essen keinen nachgewiesenen Leistungsvorteil, kann aber individuell Symptome lindern.

  • Wichtiger Trend: Viele profitieren weniger vom Glutenverzicht, sondern eher von einer Reduktion der FODMAPs.

  • Supplemente: Omega-3, Vitamin D3, Zink und Selen können unabhängig vom Gluten-Thema eine Rolle spielen – insbesondere in Bezug auf Entzündungshemmung, Immunfunktion und Regeneration.