Kate Allen

Ich wuchs gemeinsam mit meinen drei Brüdern Tim, Nige und Nick auf der Schaffarm meiner Eltern im Australischen Teesdale auf. Schon früh galt ich als vielversprechendes Lauftalent, fand aber das Kunstturnen als Teenager cooler und verschob mein Interesse schließlich ganz aufs Turnen. 

DIE AUSTRALISCHE SPORTKULTUR

Da Australien eine sportbegeisterte Nation ist und die australische Sportkultur das tägliche Leben "Down Under" stark prägt, erhielt ich eine umfassende sportliche Grundausbildung. In der Schule wurden alle Ballsportarten gespielt, mehrmals wöchentlich stand (richtiges!) Schwimmtraining auf dem Programm, und ich war selbstverständlich Mitglied des Schul-Laufteams und des Schul-Hockeyteams. Diese breite sportliche Betätigung sollte mir später noch sehr zugutekommen.

Nach der Schule vernachlässigte ich meine sportliche Laufbahn, gab der universitären Ausbildung zur Krankenschwester den Vorzug und folgte meiner ganz großen Passion dem Reisen. 

IT'S NEVER TOO LATE

Als Weltenbummlerin machte ich mich schließlich auf den Weg nach Europa und begann im Tiroler Skiort Kitzbühel - wohlgemerkt erst mit 26 - mit dem Triathlonsport. Im örtlichen Hallenbad und mit Hilfe des Kitzbühler Triathlonvereins trainierte ich im Sommer 1996 für meinen ersten Triathlon im Tiroler Kirchbichl. 

Trotz geliehener Fahrradausrüstung und dem während des Laufens gefassten Entschluss, "nie wieder so einen Blödsinn zu machen", belegte ich den vierten Platz und gewann 1000 Schilling Preisgeld. Dass ich fortan vom Triathlon-Virus infiziert war, versteht sich von selbst.

VERRÜCKTE TRAININGSJAHRE

Wie bei vielen Athleten damals waren auch meine ersten Triathlonjahre vor allem von intensivem Training und zahlreichen Trainingsfehlern geprägt. Der Schwerpunkt lag oft darauf, große Wochendstanzen zu bewältigen und persönliche Trainingsbestleistungen zu erzielen.

Klar, ich war dank meiner hohen VO2max sehr belastbar, nur irgendwann tauchen bei jedem die drei apokalyptischen Reiter auf: stagnierende Leistungsentwicklung, Übertraining und Verletzungen. Zwar hatte ich nie einen kompletten körperlichen Zusammenbruch, aber mit der Zeit stagnierte meine Leistungsentwicklung.

Dennoch blicke ich positiv auf diese Zeit zurück, denn mit diesem "crazy Training" erreichte ich die damals immerhin schnellste je erzielte Ironman-Debützeit (Klagenfurt 2002). Im selben Jahr konnte ich mit einem siebten Platz beim legendären Ironman auf Hawaii meinen ersten größeren internationale Erfolg erzielen. 

DIE OLYMPISCHEN SPIELE

Schon als 10-Jährige bestaunte ich die rumänische Kunstturnlegende Nadia Elena Comăneci bei den Spielen in Moskau. Später, im Jahr 1992, erlebte ich die Olympischen Spiele in Barcelona als Backpackerin und begeisterte Zuschauerin.

Ich war mittlerweile österreichische Staatsbürgerin und spielte mit dem Gedanken, meinen Fokus wieder auf die Olympische Distanz zu richten. Dafür musste ich jedoch an meiner Schwäche, dem Schwimmen, arbeiten. Obwohl ich keine schlechte Schwimmerin war – beim Ironman schaffte ich die 3,8 km lange Schwimmstrecke immerhin in knapp 52 Minuten – war ich auf den 1500 Metern und vor allem im Vergleich zu den superschnellen Schwimmerinnen auf der Olympischen Kurzdistanz als ehemalige Läuferin einfach zu langsam.

JUST LISTEN TO YOURSELF, DENN MEISTEN HABEN KEINE AHNUNG

Ich habe jedoch zwei gute Eigenschaften: Wenn ich mir etwas in den Kopf setze, scheue ich keine Mühe und es ist mir egal, was andere dazu sagen. Viele rieten mir von der Umstellung auf die Kurzdistanz ab und erklärten mich für verrückt, da ich damit möglicherweise eine größere Siegchance beim Ironman Hawaii verspielen würde.

Sogar mein damaliger Coach sagte mir, ich sei kein Rennpferd, sondern eher ein ausdauernder "Racedonkey". Er meinte es nett, ich feuerte ihn trotzdem, ignorierte die Ratschläge aus meinem Umfeld und gab der kleinen Möglichkeit, eine Olympiamedaille zu gewinnen, eine Chance.

WICHTIGE LERNKURVE

Dafür musste ich vor allem mehr schwimmen, deutlich mehr schwimmen. Ich engagierte einen Schwimmtrainer und absolvierte fortan bis zu 55 Kilometer pro Woche im Becken.

    Um diese Schwimmbelastung zu bewältigen, benötigten wir schließlich ein System, das mein Triathlontraining effizienter gestaltete, denn ich musste ja auch noch Radfahren und Laufen. 

    SCIENCE FIRST

    Dieses System und das notwendige Know-how fand ich im kürzlich eröffneten Trainings- und Diagnostikzentrum eines damaligen Sponsors. Von nun an standen regelmäßige und strategisch geplante Leistungsdiagnostiken in allen Disziplinen auf dem Programm. Diese dienten freilich weniger dazu, die Intensitätsbereiche zu aktualisieren, die Diagnostik war vielmehr dazu, die Trainingsarbeit der vorhergehenden Wochen zu bewerten und gegebenenfalls zu korrigieren.

    Trainingsbelastungen erfolgte in wenigen, aber gezielt ausgewählten Intensitätsbereichen, die bei fast allen Einheiten durch Laktatmessungen am Ohr überwacht wurden – über 3500 Mal in den 12 Monaten vor den Spielen. Tägliche Messungen weiterer Stoffwechselparameter wie Kreatinkinase (CK) oder Harnstoff dienten dazu, Risikofaktoren schnell zu erkennen, zu kontrollieren und zu minimieren sowie Vorhersagen für den nächsten Trainingsblock oder zukünftige Höhenaufenthalte zu ermöglichen.

    Mein Radtraining fand größtenteils am Ergometer statt, einige meiner Lauftrainings am Laufband. Das würde ich im Jahr vor den Olympischen Spielen auch heute so machen, abseits davon aber nicht, denn diese Trainingsarbeit ist vor allem mental sehr anspruchsvoll. 

    ERSTE FRÜCHTE

    Nichts bereitete mir mehr Freude, als genau zu wissen, welches Training ich absolvierte, warum ich es tat, um dann einige Wochen später die positiven Effekte in einem Test zu sehen. Schwarz auf Weiß.

    So wusste ich genau, was ich tun musste, um mich zu verbessern. Ich hatte ein funktionierendes System. Dieses System stellte auch sicher, dass ich die notwendige Erholungszeit für meinen Körper respektierte.

    Um täglich die nötige Leistung zu erbringen, setzt man sich als einem enormen Druck aus. Durch 
    unseren wissenschaftlichen Ansatz und mein Verständnis für jeden Aspekt meines Trainings fühlte ich mich in Kontrolle. Ich hoffte nicht einfach nur auf ein gutes Ergebnis. Ich verstand das Konzept.

    Deshalb musste mein Training so nah an der Perfektion sein, wie es mein Körper zuließ. Man muss Triathlon leben und lieben und lieben, es zu leben. Bevor ich abends einschlief, ging ich das Training im Kopf durch und wusste genau, was ich am nächsten Tag von mir erwartete. 

    TRAINING, ERNÄHRUNG, SCHLAF, REGENERATION

    Alles war für mich von Bedeutung. Die Ernährung musste stimmen. Der Schlaf musste stimmen – die richtige Menge, der richtige Rhythmus und ungestört. Schlafstörungen sind bei Athleten ein großes Indiz dafür, dass der Körper mit der Belastung nicht zurechtkommt und sich nicht vom Training erholt.

    Mein Team war wie bei jeder anderen sportlichen Mission der wichtigste Teil meines Erfolgs. Alle, die mit mir arbeiteten, glaubten an mich. Jeder arbeitete für dasselbe Ziel. Wie bei Athleten ist diese Teamarbeit ein Job, der sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag, ausgeübt werden muss. Es gibt keine Wochenenden. Man muss enormes Vertrauen in die Menschen haben, mit denen man arbeitet. Sie sind das wichtigste Kapital, das Rückgrat des Erfolgs und genauso ein Teil der Leistung und des Erfolgs wie man selbst.

    BEST HEADS

    Unsere Philosophie war es, immer nach den besten Köpfen zu suchen. Es spielte dabei keine Rolle, wo diese Experten auf der Welt saßen, wir nahmen Kontakt auf und fragten nach ihrer Meinung, nach ihrer Hilfe oder in manchen Fällen fragten wir sie sogar, ob sie mit uns arbeiten würden. Man benötigt außergewöhnliche Leistungsträger in seinem Umfeld, wenn man etwas Großes erreichen will.

    Die Arbeit trug schnell Früchte: Noch 2003 konnte ich den Ironman Austria überlegen und in Jahresweltbestleistung gewinnen, nur Wochen später schaffte mit Allen mit Top-3 Platzierungen im Weltcup und dem Vizeeuropameistertitel in Valencia auch den Durchbruch auf der Olympischen Kurzdistanz. Wegen der, nun aus sportmethodischer Sicht optimalen Arbeit, konnte ich in den Jahren 2003 und 2004 auf beiden Distanzen – der Olympischen Kurzdistanz und der Ironman-Distanz - mit der absoluten Weltklasse mithalten. 

    DAS LETZTE PUZZLE ZUM ERFOLG: DAS DESASTRÖSE OLYMPIATESTRENNEN

    10 Monate vor den Olympischen Spielen nahm ich am Olympischen Testrennen auf der Originalstrecke in Athen teil. Im Jahr vor den Spielen von Athen, lief bei allen Saisonrennen, die ich bestritt die schnellste Laufzeit. Beim Olympia-Testrennen in Athen verlor ich aber gerade in meiner Paradedisziplin viel Zeit und konnte nicht einmal in die Top 10 laufen.

    Wir waren einigermaßen überrascht, aber nach Auswertung der Daten wurde dann schnell klar, dass ich das Rennen am Bike verlor: Man musste in allen drei Disziplinen ein kompletter Athlet sein. Es wurde ohne Neopren geschwommen, hinzu kam die große Hitze. Die Schwierigkeit dieser Strecke lag aber vor allem am Rad: Ein vierminütiger Anstieg mit einer maximalen Steigung von 18% musste fünfmal bewältigt werden. 

    Ein aktueller Leistungstest, sowie die Ergebnisse dieses Testrennens zeigten uns, dass meine Radleistung ganz einfach nicht gut genug war, um solide Rad zu fahren und schnell zu laufen. Dies wirkte sich schließlich dramatisch auf meine Laufleistung aus. Unsere Strategie für die verbleibenden 10 Monate basierte darauf, diese fehlende biologische Leistung auf dem Rad zu verbessern. Wir waren gezwungen, biologisch zu denken und ich behaupte immer noch, dass ich knappes Jahr später das Olympiarennen weniger im Laufen und vielmehr am Rad gewann.

    FAST FORWARD

    Bei den Olympischen Sommerspielen 2004 gewann ich nach einer ordentlichen Aufholjagt in der abschließenden Laufdisziplin Olympiagold. Mit dem Vorwissen macht dieser Satz nun richtig Sinn.

    2004 wurde ich Österreichs Sportlerin des Jahres. 2005 und 2006 schaffte ich bei der Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii jeweils zwei fünfte Plätze. Ich erreichte wohl im Ironman nicht ganz meine Ziele, weil ich mich nicht zu 100% auf die Ironmandistanz konzentrierte und immer einen Start bei den Spielen in Peking, der schließlich Platz 14 einbrachte, im Hinterkopf hatte. 

    Bevor ich mich 2009 mit Rang 7 beim Championshiprennen in Kitzbühel von meinem Heimpublikum verabschiedete, schaffte ich, sowohl im Einzel als auch im Team-Bewerb, nochmals EM-Silber. 2009 war auch mein Abschiedsjahr als Profisportlerin. Heute lebe ich gemeinsam mit meiner Familie in Innsbruck.

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